Guten Tag liebe Community

bei der Lohnfortzahlung in einem Krankheitsfall tauchen bei mir immer wieder Unsicherheiten bezüglich der korrekten Abwicklung auf, daher bitte ich um Eure Hilfe.

Aktueller Fall:
Ein Mitarbeiter ist zu 100% für 6 Wochen krank geschrieben. Die Firma hat eine KTG-Lösung von 80% mit Wartefrist 30 Tage.
Der Mitarbeiter ist schon seit ein paar Jahren im Unternehmen. Nach Skala gem. OR würde der Mitarbeiter für 8 Wochen Lohnfortzahlung erhalten. Nach der KTG-Lösung erhält der Mitarbeiter für 30 Tage 100% Lohn und danach noch 80%.
Meine Frage:
Wenn eine Firma eine KTG-Versicherung abgeschlossen hat(welche mind. gleichwertig wie nach OR ist) , dann wird bei einem Krankheitsfall immer die KTG-Lösung für die Lohnfortzahlung angewendet? Auch wenn im Arbeitsvertrag oder Reglement die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht klar geregelt ist?
Auch bei dem oben beschriebenen Fall? Da in dieser Situation nach KTG der Mitarbeiter gegenüber OR schlechter da steht?
Oder wäre es besser die Lohnfortzahlung von 100% mind. für die Tage gem. Skala vorzunehmen? Resp. was länger ist, ob die Skala oder die Wartefrist? Dann ist man auf der sicheren Seite bei allfälliger Gerichtsstreitigkeiten?

Vielen danke vorab und ich freue mich auf eure Beiträge.
Einen schönen Tag euch allen.
Gruss Barbara

Points: 10
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    7 Tage später

    Barbara
    Hallo Barbara

    Sind durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte einer Lohnfortzahlung bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und Umständen (Art. 324a OR: Grundsatz bei Verhinderung des Arbeitnehmers). Es kann auch eine abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist (Art. 324a Abs. 4 OR).

    Art. 324a Abs. 1 bis 3 OR sind gemäss Art. 362 OR zwingende Bestimmungen: durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag darf zu ungunsten der Arbeitnehmenden nicht abgewichen werden. Verbesserungen sind möglich.
    Nicht die versicherungstechnische Wartefrist des Krankentaggeldversicherers, sondern die Karenzfrist im Arbeitsrecht hat Einfluss auf die Gleichwertigkeit. Gemäss Bundesgericht ist eine Karenzfrist von 3 Tagen (oder 1-3 Tage) gleichwertig, während z.B. 5 Tage keine gleichwertige Regelung mehr darstellt.
    Nach herrschender Lehre ist eine Regelung jedenfalls dann gleichwertig, wenn sie bei hälftiger Prämienteilung Taggelder von 80 % des Lohnes während maximal 720 innert 900 Tagen ausrichtet. (Urteil 4C.275/2002 vom 05.12.2002 E. 2.1): https://www.koordination.ch/fileadmin/files/urteile/andere/4c_275_2002.pdf

    Die Lohnfortzahlung während der Wartefrist des Krankentaggeldversicherers ist durch den Arbeitgeber zu 100 % des AHV-Lohnes zu gewähren (mit Ausnahme der Karenzfrist gemäss Art. 324a Abs.1 OR). Der massgebende Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag kann jedoch auch eine Reduktion auf 80 % des AHV-Lohnes vorsehen. Massgebend sind die Bestimmungen konkreter Abreden bzw. des massgebenden Normal- oder Gesamtarbeitsvertrages.

    Viele Grüsse, Fiona

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