Wann beginnt die Mehrwertsteuerpflicht für meine Firma?
Die MWST-Pflicht – bzw. MWST-Unterstellung – hält einige Fallstricke bereit. Es lohnt sich, sich kurz Zeit zu nehmen und die eigene Situation zu analysieren.
Wann wird eine in der Schweiz im Handelsregister registrierte Unternehmung mehrwertsteuerpflichtig? Grundsätzlich muss der Jahresumsatz an weltweit verkauften Produkten und Dienstleistungen höher als CHF 100‘000. Dieser Umsatz muss mit sogenannt steuerbaren Leistungen erzielt worden sein.
Wichtig
Die Registrierung erfolgt eigenverantwortlich und selbstständig über folgenden Link. Die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV schickt keine Erinnerungsschreiben oder ähnliches. Wenn Rechnungen irrtümlicherweise ohne MehrwertsteuerDie Mehrwertsteuer (MwSt.) ist eine Steuer, die auf den Mehrwert eines Produkts oder einer Dienstleistung erhoben wird und somit den... Mehr ausgestellt wurden und bereits vom Kunden beglichen wurden, ist das Unternehmen verpflichtet, die Mehrwertsteuer nachträglich selbst zu bezahlen. Dies ist keineswegs ein isoliertes Einzelschicksal, sondern kommt in der Praxis häufiger vor, als man denkt. Man sollte daher die Anmeldungsfrist im Hinterkopf behalten und die entsprechenden Vorschriften einhalten.
Im Übrigen spricht man in Fachkreisen von einer sog. «Befreiung von der Steuerpflicht», sofern CHF 100‘000 Jahresumsatz (noch) nicht erreicht werden.
Wir unterscheiden diverse Fälle, die in der Praxis vorkommen können:
- Eine Unternehmung wird gegründet bzw. durch Zukauf ausgebaut und die Frage nach der MWST-Pflicht soll beantwortet werden.
- Die Unternehmung kann den Umsatz für das erste Betriebsjahr nicht abschätzen.
- Die Unternehmung kann relativ zuverlässig abschätzen, dass der Umsatz die Mindestschwelle von CHF 100‘000 überschreiten wird.
- Eine bestehende Unternehmung verzeichnet einen Umsatzanstieg über CHF 100‘000.
MWST-Pflicht je nach abgeschätztem Umsatz: Fallbeispiele
Fall 1A: Neugründung ohne genaue Umsatzprognose
In vielen Fällen können die Gründer nicht abschätzen, ob der Umsatz im ersten Betriebsjahr die Umsatzschwelle von CHF 100‘000 pro rata erreichen wird. Das bedeutet, dass sie bei Gründung von einer MWST-Registrierung absehen, vorerst nichts unternehmen und spätestens 3 Monate nach Gründung die Situation nochmals beurteilen. Wir nennen das Zwischenbeurteilung.
Fallbeispiel: Die Supersoft AGDie Aktiengesellschaft (AG) ist eine der bekanntesten und am häufigsten genutzten Rechtsformen für Unternehmen. Sie wird insbesondere dann genutzt, wenn... Mehr – gegründet per 1.6.2022 – vertreibt Software. Zum Gründungstermin ist der Umsatz nicht prognostizierbar. Die Gründer schieben die Zwischenbeurteilung auf den spätmöglichsten Termin hinaus – also genau 3 Monate nach der Gründung (1.9.2022). Der in den drei Monaten erzielte Umsatz beläuft sich auf CHF 28‘000. Hochgerechnet auf ein ganzes Jahr haben sie damit einen theoretischen Umsatz von CHF 112‘000 erzielt – und müssen sich daher unverzüglich bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) für die Mehrwertsteuer anmelden. Es gilt eine Anmeldefrist von 30 Tagen ab der Zwischenbeurteilung.
In diesem Fall hat die Supersoft AG die Wahl, ob Sie sich rückwirkend auf das Gründungsdatum 1.6.2022 «anmelden» soll oder erst auf das Datum der Zwischenbeurteilung (also per Beginn des 4. Geschäftsmonats). In der Realität werden sich die meisten Unternehmen dafür entscheiden, per Datum der Zwischenbeurteilung steuerpflichtig zu werden und nicht rückwirkend. Eine rückwirkende Anmeldung hätte zur Folge, dass von Kunden nachträglich noch die Mehrwertsteuer eingefordert werden müsste – eine unangenehme Sache.
Fall 1B: Neugründung mit genauer Umsatzprognose
Es kann Konstellationen geben, die eine relativ zuverlässige Prognose möglich machen. Wenn ein Start-up mit einem bestehenden Kundenstamm operativ tätig wird oder bereits hohe Anzahlungen eingegangen sind, ist dies z.B. möglich. Diese Prognose muss zum Zeitpunkt der formellen Firmengründung geschehen. Wenn eine Schwellenüberschreitung wahrscheinlich ist, ist eine Steuerpflicht per Datum der Unternehmensgründung gegeben und eine Anmeldung hat entsprechend per sofort zu erfolgen. Auch hier gilt die Frist von 30 Tagen.
Die Fälle 1A und 1B treffen auch auf bisher von der MWST-Pflicht befreite Unternehmungen zu, die Ihren Betrieb durch Kauf einer anderen Firma (Geschäftsübernahme) oder Eröffnung eines neuen Betriebszweiges bedeutend ausbauen.
Fall 2: Bestehende Unternehmung verzeichnet Umsatzanstieg über CHF 100‘000
Handelt es sich um eine bereits im Vorjahr oder früher gegründete Unternehmung, wird der Eintritt der MWST-Pflicht anders beurteilt.
Wenn eine bestehende, von der Mehrwertsteuer befreite Unternehmung einen Umsatz von über CHF 100‘000 erzielt, wird sie per 01. Januar des Folgejahres MWST-pflichtig und muss sich entsprechend anmelden. In diesem Fall ist die Frist zur Registrierung der 30. Januar des Folgejahres.
Freiwillige MWST-Anmeldung: Wie kann man daraus einen Nutzen ziehen?
Unter bestimmten Umständen kann es für ein Unternehmen sinnvoll sein, auf die Befreiung von der Mehrwertsteuerpflicht zu verzichten und sich «freiwillig anzumelden», selbst wenn die Umsatzschwelle noch nicht erreicht ist. Dies wird auch als «Verzicht auf die Befreiung von der Steuerpflicht» bezeichnet. Dieser Schritt kann sich lohnen, wenn ein Unternehmen in einer Start-up-Investitionsphase lediglich geringe beziehungsweise gar keine Umsätze erzielt, aber hohe Ausgaben tätigt. Durch eine freiwillige Mehrwertsteuerregistrierung kann die gezahlte Mehrwertsteuer für Dienstleistungen oder Waren als Vorsteuerabzug geltend gemacht und von der Eidgenössischen Steuerbehörde zurückgefordert werden. Ohne die MWST-Anmeldung wären diese Vorsteuerzahlungen unwiederbringlich verloren.
Analog gilt dies für aus dem Ausland bezogene Dienstleistungen. Die Bezugssteuer kann in diesem Fall analog der bezahlten Mehrwertsteuer als Vorsteuer geltend gemacht werden.
Eine Anmeldung kann auch dann von Nutzen sein, wenn den Kunden damit der Eindruck einer soliden Unternehmung vermittelt werden kann. Wenn Sie Rechnungen ohne Mehrwertsteuer ausstellen, ist Ihrem Kunden sofort klar, dass Ihr Umsatz bescheiden ist. Andersrum nehmen die meisten Kunden an, dass Sie die Umsatzschwelle überschritten haben und so eine minimale Gewähr für das Funktionieren Ihres Geschäftsmodells besteht.
Falls Sie hauptsächlich Produkte oder Dienstleistungen für Privatpersonen anbieten, ist eine MWST-Anmeldung erst dann sinnvoll, wenn Sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Sie möchten sicher nicht Ihr Angebot um (meist) 7.7% verteuern, wenn Sie nicht unbedingt müssen? Da Privatpersonen keine Vorsteuern geltend machen können, tragen sie die Mehrwertsteuer immer als Endkonsumenten.
Vorteile
der freiwilligen MWST-Anmeldung
- Vorsteuerabzug möglich
- Professionalität gegenüber Kunden
Nachteile
der freiwilligen MWST-Anmeldung
- Zusätzlicher administrativer Aufwand
- Preissteigerung der eigenen Produkte und Dienstleistungen
FAQ zum Thema «Beginn der Mehrwertsteuerpflicht»
Ist eine Abmeldung von der Mehrwertsteuer möglich?
Ja, das ist möglich, jedoch i.d.R. erst zum Ende des laufenden Geschäftsjahres.
Fallbeispiel: Ein kleines Unternehmen, das seit 2019 noch nicht mehrwertsteuerpflichtig war, erzielt im Jahr 2022 unerwartet einen Jahresumsatz von über CHF 100.000 – beispielsweise CHF 130.000. Die Mehrwertsteuerpflicht beginnt ab dem Beginn des folgenden Geschäftsjahres, also am 1. Januar 2023. Jetzt ist es wichtig, den Umsatz schnellstmöglich zu ermitteln.
Selbst wenn der Umsatz im Jahr 2023 wieder unter die Schwelle von CHF 100.000 sinken wird, bleibt die Mehrwertsteuerpflicht ab dem 1. Januar 2023 bestehen. Eine Abmeldung wäre in diesem Fall möglich, jedoch frühestens zum 31. Dezember 2023.
Muss ich mein Einzelunternehmen ins Handelsregister für die MwSt-Anmeldung eintragen lassen?
Ja, für die Mehrwertsteuerregistrierung ist ein Eintrag ins Handelsregister erforderlich. Die Pflicht zur Mehrwertsteuerregistrierung und der Eintrag ins Handelsregister entsteht erst dann, wenn der prognostizierte Jahresumsatz (immer auf 12 Monate hochgerechnet!) die Umsatzschwelle von CHF 100‘000 überschreitet
Ab wann beginnt die MwSt.-Pflicht im Falle einer freiwilligen Anmeldung?
Normalerweise beginnt die MwSt.-Pflicht im Falle einer freiwilligen Anmeldung ab dem Start des Folgejahres.
Sobald ein Unternehmen beispielsweise im Mai 2023 einen Umsatz erwirtschaftet hat, der die Schwelle von CHF 100‘000 unterschreitet, ist die freiwillige Anmeldung frühestens zum 01.01.2024 möglich. Auf Wunsch kann die Registrierung rückwirkend erfolgen, jedoch frühestens zum Beginn des laufenden Geschäftsjahres.
Welche Anmeldefrist gilt für die MwSt.-Registrierung in der Schweiz?
Die Anmeldefrist für die MwSt.-Registrierung beträgt 30 Tage ab Erreichen der Umsatzschwelle von CHF 100.000 (immer pro rata berechnet!). Falls der Umsatz eines neu gegründeten Unternehmens mit hoher Wahrscheinlichkeit von netto CHF 100.000 übertreffen wird, läuft die Anmeldefrist 30 Tage nach Gründungsdatum ab.
Gilt bei der Ermittlung der MwSt.-Pflicht der Umsatz in Brutto oder in Netto?
Bei der Ermittlung der MwSt.-Pflicht wird nur der Nettoumsatz berücksichtigt, d.h. der Umsatz ohne MwSt.
Fazit
Eine zu späte Registrierung für die Mehrwertsteuer kann drastische Folgen, eine (zu) frühe Anmeldung hingegen bringt nur selten negative Konsequenzen mit sich. Im Zweifelsfall sollte eine Anmeldung erfolgen. Generell gilt ein global erzielter Umsatz von CHF 100‘000 als Schwellenwert.
Falls bereits unmittelbar nach oder in den ersten drei Monaten nach der Gründung ein Erreichen der Umsatzschwelle wahrscheinlich ist, sollte eine rasche Anmeldung erfolgen.
Bereits bestehende Unternehmen können sich auf den 1. Januar des Jahres anmelden, das auf das Jahr folgt, in dem die Umsatzschwelle erstmals erreicht wurde.
Falls Sie noch offene Fragen zum Thema «Beginn der Mehrwertsteuerpflicht» haben, zögern Sie bitte nicht, sich an unser Forum zu wenden.
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Guten Tag! Vielen Dank für den Artikel – genau diese Information habe ich gesucht. Viele Grüsse
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Freundliche Grüsse.
Roger Frei
Guten Tag. Verstehe ich es richtig: Wenn ich im Herbst merke, dass mein Umsatz über 100´000 CHF liegt, muss ist vorerst nichts unternehmen? Ich möchte eine Firma gründen. Wie bemerke ich, dass mein Umsatz jenseits der 100´000 CHF Umsatz landet?
Hallo Monika. Ja, das ist richtig: Wenn du im Herbst merkst, dass dein Umsatz CHF 100´000 übersteigt, musst du dich lediglich für das kommende Jahr anmelden. Für Startups gibt es eine Praxisregel: Wenn sie in den ersten 3 Monaten seit Beginn der Tätigkeit mehr als CHF 25’000 Umsatz erzielt haben, müssen sie sich für die MWST anmelden.
Freundliche Grüsse.
Roger Frei
Grüezi. Gelten die gleichen Regeln für eine Nebentätigkeit?
Grundsätzlich ja: Solange du keinen Umsatz in Höhe von CHF 100´000 erreicht hast und sich nicht freiwillig angemeldet hast, brauchst du keine MWST in den Rechnungen auszuweisen.
Freundliche Grüsse
Roger Frei
Guten Tag. Ich verkaufe von mir hergestellte Waren im Ausland (Deutschland, Frankreich usw.). Wenn ich in der Schweiz MWST-pflichtig bin, bedeutet das, dass ich auch im Ausland verpflichtet bin?
Guten Tag Ruth. Nicht unbedingt. Um Ihre Frage zu beantworten, werden weitere Informationen benötigt. Am besten wende dich an unsere Experten. Auf treuhand-suche.ch findest du viele Treuhänder, die sich auf MWST-Fragen spezialisiert haben. Gerne kannst du unseren Filter nach Spezialgebieten verwenden und einen Spezialisten in deiner Nähe suchen: https://treuhand-suche.ch/companies.
Danke für die Darstellung der Vor- und Nachteile der freiwilligen MWST-Anmeldung. Das hat mir sehr weiter geholfen! Liebe Grüsse
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