Chargeability im Consulting-Business - Ein Blick hinter die Kulissen

Chargeability im Consulting-Business: Ein Blick hinter die Kulissen

- 9 Min Lesezeit

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Steuerberater, Anwälte oder Treuhänder tendenziell höhere Stundensätze für Kundenaufgaben verrechnen als zum Beispiel IT-Spezialisten? Eins kann zum Vornherein schon verraten werden: Die Höhe der Löhne ist nicht der Hauptfaktor. Viel wichtiger bei der Festlegung des Stundensatzes ist die Auslastung der Mitarbeiter.

Im Folgenden gehen wir dieser Frage genauer nach. Wie erklären, welche Rolle die Chargeability im Consulting – also der Anteil abrechenbarer Stunden für Kundenprojekte an der Gesamtarbeitszeit des Personals – spielt und wie dieser Faktor die Preispolitik von Consulting-Firmen beeinflusst. Besonders spannend ist das auch für Unternehmer, die ein eigenes Beratungsunternehmen aufbauen möchten – denn vielen ist nicht vollständig bewusst, wie entscheidend dieser Faktor für den langfristigen Unternehmenserfolg ist.

Höhere Stundensätze als Mittel zur Kompensation einer geringeren Chargeability

Die vorliegenden Zahlen erzählen eine spannende Geschichte: Viele Bereiche im Consulting weisen einen überproportionalen Zusammenhang zwischen dem durchschnittlich verrechneten Stundensatz und dem Grad an Chargeability auf. Während Anwälte tendenziell höhere Stundensätze verrechnen, liegen diese im IT-Bereich deutlich niedriger.

Stundensatz nach Beruf und Erfahrungsstufe
Beruf / Funktion Junior Mid-Level Senior / Experte
Anwalt (selbständig) n/a CHF 300 CHF 425
Treuhänder / Steuerberater CHF 125 CHF 175 CHF 250
Projektleiter (freelance) CHF 130 CHF 160 CHF 200
IT-Consultant / Developer CHF 110 CHF 140 CHF 180
Data Analyst / BI CHF 95 CHF 120 CHF 160
UX/UI Designer CHF 90 CHF 115 CHF 145

Grundsätzlich sind höhere Stundensätze oft eine Reaktion auf einen relativ niedrigen Anteil abrechenbarer Stunden. So kann man am Ende trotzdem ein gewisses Einkommensniveau erreichen. Wenn ein Anwalt zum Beispiel eher unregelmässig an Kundenprojekten arbeitet, versucht er, das Beste daraus zu machen – etwa, indem er die geringere Anzahl an Arbeitsstunden durch höhere Stundensätze ausgleicht.

Stundensätze für das Mid-Level vs. Chargeability im Consulting-Business
Typische Chargeability bewegt sich je nach Arbeitsposition und der Firmengrösse auf unterschiedlichem Niveau.

Chargeability im Consulting-Business: Ein Blick hinter die KulissenPraxisbeobachtung

Wenn Sie sich einen Spezialisten im Consulting holen – nur für eine kurzfristige Aufgabe –, sollten Sie sich über hohe Stundensätze nicht wundern. Ein häufiger Grund dafür sind gewisse Fixkosten in der Anfangsphase sowie die unregelmässige Auslastung des Personals mit umsatzbringenden Kundenprojekten.

Arbeiten IT-Spezialisten wirklich mehr an Kundenprojekten als Anwälte?

Die gesammelten Zahlen aus dem Consulting-Bereich deuten auf einen klaren Zusammenhang zwischen dem Anteil abrechenbarer Stunden und dem jeweiligen Fachbereich hin. Im Jahr 2023 lag die durchschnittliche Auslastung weltweit in professionellen Dienstleistungsunternehmen bei etwas über 69%. Je nach Bereich fällt dieser Wert allerdings ganz unterschiedlich aus:

Chargeability je nach Consulting-Bereich

Der Anteil abrechenbarer Stunden hängt stark von der durchschnittlichen Projektgrösse ab und letztendlich hat einen signifikanten Einfluss auf verrechnete Stundensätzen. Die praxisnahe Faustregel ist ganz einfach: Je grösser die durchschnittlichen Projekte, desto besser lassen sich Mitarbeitende auslasten – und damit auch eine hohe Chargeability während des Projekts erreichen. Dies hat normalerweise tiefere Stundensätze zur Folge.

Von Natur aus sind vor allem der IT-Bereich und das Ingenieurwesen durch grössere Projekte geprägt, die sich oft über mehrere Monate ziehen. Das steht in klarem Gegensatz zu Steuerberatern oder Anwälten, die meist viele kleinere Mandate betreuen. Sie kommen allerdings durch eine höhere Anzahl an Kunden auf einen ausreichenden Auslastungsgrad.

In der Praxis zeigt sich jedoch: Es ist gar nicht so einfach, den Arbeitsalltag so zu strukturieren, dass Mitarbeitende parallel an mehreren Projekten arbeiten können – je nach Auslastung flexibel hin und her. Verzögerte Kundenreaktionen, die Einarbeitung ins Projekt oder interne Abstimmungen fressen dabei oft viel Zeit, die nicht direkt beim Kunden abgerechnet werden kann.

Chargeability im Consulting-Business: Ein Blick hinter die KulissenPraxisbeobachtung

Im Consulting ist fast jedes Kundenprojekt mit gewissen Kosten im Hintergrund verbunden – also Aufwänden, die in der Regel nicht verrechnet werden können. Dazu zählen vor allem:

  • Einarbeitung ins Projekt
  • interne Besprechungen
  • erste Kundengespräche im Rahmen der Akquise

Gerade bei grösseren Projekten ist das gut verschmerzbar: Nach dieser Einstiegsphase werden die weiteren Leistungen meist zu 100% abgerechnet. Bei vielen kleineren Projekten dagegen fällt diese „nicht abrechenbare Phase“ bei jedem einzelnen Projekt an – und das summiert sich. Darum ist es deutlich schwieriger, in Bereichen wie dem Rechtswesen oder der Steuerberatung langfristig einen stabilen Auslastungsgrad des Personals hinzubekommen.

Obwohl die Chargeability stark vom Bereich abhängt, liegt sie innerhalb eines Unternehmens je nach Position auf unterschiedlich hohem Niveau. Man könnte annehmen, dass sie mit zunehmender Erfahrung ebenfalls steigt – doch die Fakten sprechen dagegen.

Senior-Spezialisten vs. Juniors: Wer beschäftigt sich stärker mit Kundenprojekten?

In der Praxis zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Position im Consulting und dem Anteil der abrechenbaren Stunden, die Kunden in Rechnung gestellt werden. Auch wenn man zunächst meinen könnte, dass mit steigender Erfahrung und Position auch der Anteil der verrechenbaren Stunden zunimmt, ist in der Realität meist das Gegenteil der Fall.

Positionsebene vs. Anteil der verrechenbaren Arbeitsstunden

Personen in höheren Positionen – etwa Partner, Geschäftsführer oder Abteilungsleiter – übernehmen in der Regel strategische Aufgaben, leiten interne Meetings, kümmern sich um Kundenbeziehungen oder treiben das Business Development voran. Solche Tätigkeiten sind zwar zentral für den Unternehmenserfolg, aber eben nicht direkt abrechenbar. Deshalb delegieren Führungskräfte viele der operativen, abrechenbaren Aufgaben an Junior-Mitarbeiter oder spezialisierte Fachkräfte. Sie selbst konzentrieren sich eher auf Organisation, Überwachung und wichtige Entscheidungen. Entsprechend höhere Stundensätze gelten häufig als Mittel zur Kompensation der vergleichsweise geringeren Zahl an abrechenbaren Stunden bei höhergestellten Mitarbeitenden im Consulting.

Chargeability im Consulting-Business: Ein Blick hinter die KulissenPraxisbeobachtung

Je höher die Position, desto geringer ist der Anteil der abrechenbaren Stunden – unter anderem aufgrund interner Meetings, Marketingaktivitäten, Business Development und dem Verfassen von Angeboten.

Es mag auf den ersten Blick ziemlich unplausibel erscheinen, dass Berufseinsteiger bis zu 80–90% ihrer Zeit den Kunden in Rechnung stellen können. Es ist zwar richtig, dass Einsteiger sich meist mit umsatzgenerierenden Aufgaben beschäftigen, also direkt abrechenbarer Projektarbeit.

Doch nehmen sie – wie Mitarbeitende in höheren Positionen – auch an internen Meetings teil, führen Gespräche im Team und müssen vor allem neues Wissen aufbauen, was für ihre Entwicklung enorm wichtig ist. Wie schaffen sie es, ohne viel Erfahrung und mit noch eingeschränkter Effizienz, alles unter einen Hut zu bekommen und dabei auf so hohe Verrechnungsquoten zu kommen? Die Antwort liegt in einer typischen Realität des Consulting-Alltags: der Tendenz zu Überstunden.

Überstunden zur Steigerung der Chargeability im Consulting-Business

Man muss den Realitäten ins Auge sehen: Der Job im Consulting ist oft mit strengen Projekt-Deadlines verbunden – gleichzeitig müssen jedoch neben den Kundenprojekten auch interne Aufgaben erledigt werden. Dadurch kommen viele Beraterinnen und Berater am Ende auf 50 bis 80 Arbeitsstunden pro Woche, um alles unter einen Hut bringen zu können. Laut Recherchen trifft das auf mehr als drei Viertel der Mitarbeitenden im Bereich Consulting zu.

Anteil der Mitarbeitenden je nach Umfang der geleisteten Überstunden

Die verfügbaren Zahlen bestätigen, dass die tatsächliche Effizienz im Consulting oft deutlich geringer ist, als es auf den ersten Blick wirkt. Eine hohe Chargability bedeutet nicht automatisch hohe Produktivität – häufig steckt dahinter eher ein Overload: Mitarbeitende gleichen in ihrer Freizeit die nicht abrechenbaren Tasks aus, die sie innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit nicht schaffen. In der Praxis zeigt sich, dass Männer in diesem Punkt meistens die Nase vorn haben.

Anzahl der Überstunden je nach Arbeitsposition pro Woche

Chargeability im Consulting-Business: Ein Blick hinter die KulissenPraxisbeobachtung

Laut einer durchgeführten Umfrage arbeiten Consultants im Schnitt 9,3 Stunden mehr als die Standardarbeitszeiten gemäss Vertrag. Bei den Big Four (Deloitte, KPMG, PwC und EY) liegt der Durchschnitt sogar bei 10,3 Überstunden pro Woche. Arbeitswochen mit über 60 Stunden sind im Consulting keine Seltenheit – das gehört quasi zum Alltag.

Die Chargability lässt sich nicht auf Basis der tatsächlich geleisteten Stunden berechnen, sondern auf Grundlage der vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit. Daher hängt die Chargability der Arbeitszeit praktisch von zwei Faktoren ab: den dem Kunden in Rechnung gestellten Stunden (im Zähler) und den vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden bzw. der gesetzlichen Höchstarbeitszeit (im Nenner). Während Letztere in der Regel konstant bleibt, lässt sich der Zähler erhöhen, indem Überstunden geleistet werden – wodurch letztlich eine hohe Anzahl abrechenbarer Stunden erreicht wird. Das ist der Trick, der im Consulting immer wieder zur Anwendung kommt. Allerdings sieht die Situation je nach Bereich des Consultants unterschiedlich aus.

Abrechenbare Stunden (Chargability) = dem Kunden in Rechnung gestellte Stundenvertraglich vereinbarte Arbeitsstunden (gesetzliche Höchstgrenze)

Fazit

Damit Consulting wirklich läuft, reicht es nicht, Mitarbeitende günstig einzukaufen und ihre Leistung teuer weiterzuverkaufen. Der Markt setzt oft klare Benchmarks – für Gehälter und Stundensätze – und der Spielraum ist kleiner, als man denkt. Ein Schlüssel zum Erfolg ist die Chargeability: wie gut man das Team mit Kundenprojekten auslastet. Im Schnitt gelten etwa 70% als guter Wert. Wo das wegen kleiner Projekte kaum erreichbar ist – etwa bei kleinen Anwaltskanzleien – helfen höhere Stundensätze, die Profitabilität trotzdem zu sichern. Das Gleiche gilt für höhere Positionen, die sich in der Regel durch eine niedrigere Chargeability und entsprechend höhere Stundensätze auszeichnen.

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