9 kritische Fehler bei Freelancer-Verträgen (Gratis Checkliste)

9 kritische Fehler bei Freelancer-Verträgen (Gratis Checkliste)

- 8 Min Lesezeit

Jeder Unternehmer, der schon einmal mit einem hohen Strafbescheid oder andere Sanktionen konfrontiert wurde, wird keinen Vertrag mehr ohne sorgfältige Prüfung unterzeichnen. Doch selbst nach schlechten Erfahrungen wissen nur wenige, wo genau in einem Vertragswerk kritische Fehler auftreten können. Das gilt speziell für Freelancer, die ihr Business gerade erst aufbauen.

Wir haben an dieser Stelle das gesamte praktische Know-how zusammengefasst und Dutzende von Verträgen geprüft, um Selbstständige bei der Erstellung des passenden Vertrages zu unterstützen. Im ersten Teil dieser Artikelserie konnten wir Ihnen darstellen, wie typische Verträge im Arsenal eines Freelancers aussehen. In diesem Artikel demonstrieren wir Ihnen, welche Fehler einzelnen Vertrags­parteien am häufigsten unterlaufen, wie man Vertragsfehler korrigiert, geben Ihnen eine übersichtliche Checkliste für die Erstellung des perfekten Vertrages an die Hand und räumen letztlich mit einigen Mythen rund um Vertragsbeziehungen auf.

Kritische Fehler in Verträgen

Jeder Fehler kann die Rechtmässigkeit eines Vertrages beeinträchtigen. In unserer Praxis haben wir 9 unterschiedliche Kategorien von Vertrags­fehlern gesammelt und sie in aufsteigender Reihenfolge ihrer Relevanz für den endgültigen Vertrag zusammengefasst.

1. Tippfehler

Tippfehler können jedem passieren und in den seltensten Fällen haben sie nachhaltige Auswirkungen auf die Vertrags­gestaltung. Wir empfehlen dennoch, einfache Verträge mit Hilfe von Recht­schreib­prüfungs-Tools (die in den meisten Text­verarbeitung­sprogrammen automatisch integriert sind) zu checken. Handelt es sich um einen langfristigen Vertrag und der Auftragswert übersteigt Ihr bisheriges Durchschnitts­einkommen, lohnt sich jedoch die Beauftragung eines professionellen Korrektur­lesers.

2. Vervielfältigung

Ähnlich dem Tippfehler verursacht ein doppelter Inhalt keine ernsthaften Probleme. Doch Struktur und Logik des Vertrages leiden darunter. Doppelter Content resultiert häufig aus der Nutzung unterschiedlicher Quellen. Das Phänomen tritt aber auch oft auf, wenn beide Vertrags­parteien Korrekturen in dem Dokument vornehmen. Nach längerer Beschäftigung mit einem Text kann auch die Sehschärfe nachlassen und es kommt zu Doppelungen. Um dies zu vermeiden, sollten Sie einen Assistenten oder Kollegen hinzuziehen, der den Text mit frischen Augen liest.

3. Verlust der Kontrolle über Vertragsdaten

Verfügt eine Firma über kein Dokumenten­management­system, kann es im Laufe der Zeit angesichts einer grossen Zahl von Kunden den Überblick verlieren. Die Parteien sollten Verträge deshalb frühzeitig erneuern, wenn es erforderlich wird.

Beispiel

Sie sind IT-Freelancer und bieten Website-Verwaltungsdienste an. Ihr Kunde hat mit Ihnen einen Servicevertrag über 1 Jahr abgeschlossen. Sie haben ihm jeden Monat eine Rechnung geschickt, um die geleistete Arbeit zu bezahlen. Ein Jahr später stellt Ihr Kunde einen IT-Spezialisten ein und Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt. Trotzdem erhält er einen Monat später doch noch eine Rechnung von Ihnen. Er wird zumindest überrascht sein.

4. Fehler im Datum und bei der Laufzeit

Ein schlichter Tippfehler in der Monats- oder Jahreszahl des Vertrages kann durchaus ernste Probleme bereiten. Vor allem, wenn der Vertrag eine Zahlung nach Fertigstellung des Auftrags vorsieht. Beispiel: Eine skrupellose Gegenpartei nimmt die Arbeitsergebnisse zwar an, verweigert aber anschliessend die Zahlung mit der Begründung, dass die Vertragsfristen längst abgelaufen sind. Die Gegenpartei kann sogar den Vertrag für null und nichtig erklären, wenn der Datenfehler tatsächlich erheblich ist (z.B. 2223 statt 2023).

5. Falsche Einzelheiten

Dies gilt als ein häufiges Problem bei langfristigen Verträgen. Das Unternehmen ändert die Adresse oder die Kontoverbindung, wonach sämtliche bestehenden Verträge angepasst werden müssen. Falls Sie nicht rechtzeitig über die Änderung informiert werden, kann dies Ihre gesamte Zusammenarbeit mit diesem Partner behindern (eine falsche Büroadresse führt beispielsweise dazu, dass Projektmaterialien nicht geliefert werden können oder ein falsches Bankkonto resultiert darin, dass Zahlungen ausbleiben).

6. Fehlende Informationen über Vertragsstrafen

Vertragsstrafen gehören häufig zu den zentralen Inhalten von Geschäftsvereinbarungen. Falls ein Vertrag die Bedingungen und die Höhe der Vertragsstrafe nicht festgelegt hat, muss die Angelegenheit im Zweifel vor Gericht nach dem Art. 97 OR geregelt werden. In diesem Fall kann die Konventionalstrafe zwischen 10% der Vertragssumme und 100 000 Franken liegen.

7. Kündigungsbedingungen wurden nicht vereinbart

Dieser Fehler kann kritisch werden, falls es sich um Verträge ohne feste Laufzeit oder mit einer automatischen Verlängerung handelt (mehr dazu im vorherigen Artikel). Eine gerichtliche Vertragsauflösung erfordert viel Zeit und Geld – und damit Verluste für das Unternehmen. Achten Sie daher darauf, dass der Vertrag die Option und die Voraussetzungen für eine einseitige Kündigungsklausel beinhaltet.

8. Einseitige Anpassung nach Vereinbarung

Falls Änderungen an dem Vertrag erforderlich sind, sollten diese bilateral vereinbart werden. Handelt es sich um eine Zusatzvereinbarung, muss diese von beiden Vertragsparteien unterzeichnet werden. Unterlässt eine der Vertragsparteien die Gegenzeichnung, treten die Änderungen nicht in Kraft. Dies kann zu kritischen Situationen führen, wenn die Anpassungen beispielsweise Liefermengen, Preisaktualisierungen oder Rechteänderungen betreffen.

9. Unterzeichnung eines anderen anstelle des vereinbarten Papiers (Betrug)

Es kann vorkommen, dass Sie die Vertragsbedingungen mit Ihrem Partner abgesprochen und anschliessend den Wortlaut leicht geändert haben. Sollten Sie vergessen haben, Ihren Partner von den Änderungen in Kenntnis gesetzt und den Vertrag trotzdem unterschrieben haben, gilt das in der Regel nicht als betrügerische Handlung. Sollten die von Ihnen vorgenommenen Änderungen jedoch das Wesen des Vertrags grundlegend verändern und Sie den Partner ausdrücklich nicht darüber informiert haben, gilt das als illegal.

Wichtig

Betrüger können in einem derartigen Fall sehr hinterhältig vorgehen. Zunächst werden sie Ihnen einen gedruckten Vertrag mit sämtlichen Vereinbarungen aushändigen. Anschliessend lenken sie Sie ab und ersetzen das Dokument durch ein anderes mit neuen Bedingungen. Sollten Sie ein derartiges Dokument unterschrieben haben, verlieren Sie zumindest Geld und im schlimmsten Fall das geistige Eigentum/Urheberrecht an den Ergebnissen Ihrer Arbeit.

Es ist extrem schwierig, Betrug vor Gericht zu beweisen, so dass Prozesse in diesem Fällen nicht selten erfolglos bleiben.

Wie können Fehler in bestehenden Verträgen korrigiert werden?

Fehler im Text des Hauptvertrags können im gegenseitigen Einvernehmen der Parteien in einer Zusatzvereinbarung berichtigt werden. Dazu reicht es aus, die Parteien zu benennen und anzugeben, welche Vertragsklauseln korrigiert werden sollen. Den entsprechenden Wortlaut finden Sie in unserem vorherigen Artikel.

Checkliste für die Erstellung des perfekten Vertrags

Mit dieser 9-Punkte-Checkliste kann jeder Freelancer oder Einzelunternehmer den perfekten Vertrag erstellen.

Doch manchmal liegt das Problem nicht so sehr in der Ausarbeitung des Vertrags als vielmehr darin, dass er möglicherweise unerwünscht ist. Das hängt nicht so sehr mit der Angst vor dem Schreiben zusammen, sondern eher mit Vorurteilen und Mythen, die häufig im Internet verbreitet werden. Im Folgenden werden wir versuchen, mit den bekanntesten Vorurteilen aufzuräumen.

Mythen über Verträge

Myth 1: Freelancer müssen immer einen Vertrag mit dem Kunden abschliessen.

Wie andere Unternehmer auch benötigen Freelancer einen Vertrag lediglich für hochpreisige Projekte. Einmalige Aufträge bis zu 1’000 Franken werden üblicherweise ohne Vertrag abgewickelt. Der Regulator derartiger Geschäfts­beziehungen ist in der Regel eine Freelance-Börse. Falls Sie direkt mit Kunden arbeiten, empfiehlt es sich, zumindest einen allgemeinen Rahmen­vertrag abschliessen, um Ihre Rechte zu schützen.

Myth 2: Wenn man den unterschriebenen Vertrag zerreisst, verliert er seine Kraft.

Diese Situation kommt oft in Filmen vor. Damit es funktioniert, darf der unterschriebene Vertrag nur in Papierform vorliegen und muss von beiden Parteien zerrissen werden. In der Praxis kann es zu Situationen kommen, bei denen Dokumente durch Feuer oder andere Einflüsse beschädigt werden. Aber auch in diesen Fällen bleiben die Verträge so lange gültig, wie eine weitere unterzeichnete Kopie oder ein elektronisches Duplikat vorgibt.

Myth 3: Beide Vertragsparteien müssen eine unterzeichnete Kopie des Vertrags in Papierform haben.

Kein Gesetz regelt die Form von Verträgen. Sie können entweder schriftlich oder elektronisch geschlossen werden. Es ist erstaunlich, dass viele Unternehmer immer noch die Papier­version verwenden, obwohl das Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES) vor mehr als 20 Jahren in Kraft getreten ist. Angesichts der grossen Zahl von Software­programmen, die elektronische Dokumenten­management-Funktionen bieten, ist das papierlose Büro eine gute Lösung für junge Firmen.

Wichtig

Verträge können eine Aufbewahrungs­pflicht in Papierform enthalten. Wenn Sie also beispielsweise einen Arbeits­vertrag mit einem derartigen Wortlaut unterzeichnen, sollten Sie eine Papierkopie Ihres Dokuments sorgfältig aufbewahren. Darüber hinaus müssen auch alle öffentlichen Verträge, beispielsweise ein Immobilien­vertrag, in Papierform aufbewahrt werden.

Myth 4: Das Urheberrecht an den Arbeits­ergebnissen des Freelancers liegt standardmässig beim Kunden.

Wenn Ihr Kunde ihre Arbeitsresultate unter seinem Namen nutzen möchte, muss dies unbedingt im Vertrag festgehalten werden. Das Schweizerische Obligationenrecht besagt, dass der Freelancer das Urheberrecht behält, solange der Vertrag keine Bestimmungen über die Übertragung des Urheberrechts enthält. Wir empfehlen dringend, diesen Punkt vor der Unterzeichnung des Vertrags zu vereinbaren und schriftlich festzuhalten.

«Mir graut vor schriftlichen Verträgen, denn ich habe noch keinen gesehen, den die eine oder andere Seite nicht hätte brechen können.»
Rumänischer Unternehmer Ion «Brașov Bulldozer» Țiriac

Wir hoffen, dass Sie nun über ausreichend Informationen verfügen, um den perfekten Vertrag fehlerfrei zu erstellen. Was passiert aber, wenn Ihre Geschäftstätigkeit viele derartige Verträge in unterschiedlicher Form erfordert? Wie behält man sie alle im Blick und verbringt nicht seine ganze Zeit damit? Diese Fragen werden wir in unserem nächsten Artikel in dieser Reihe beantworten.

In der Zwischenzeit können Sie in den Kommentaren Fragen zu diesem Thema stellen, in unserem Forum Ihre eigenen Rezepte für den idealen Vertrag mitteilen und in unserem Katalog die idealen Rechts- und Finanzberater finden.

Viel Erfolg!

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